Wenn dir die Welt einen Virus gibt, mach Kunst. Nick DiSalvo, sonst der musikalische Kopf der Band Elder, tat genau dies. Er verschanzte sich im Studio und nahm unter dem Namen Delving ein Soloalbum auf.

DiSalvo hat mit Elder längst klargemacht, dass er zuviele Ideen für zuwenig Zeit hat. Was also machen in anderthalb Jahren Zwangsentschleunigung? Die auf dem ganzen Globus verteilte und daher getrennte Band konnte mit ihrem letzten – übrigens sensationellen – Album „Omens“ nicht mal auf Tour. Flugs selber Gitarre, Bass, Drums und Keyboards geschnappt, sieben Songs geschrieben und alles selber eingespielt.

Eine völlige Kehrtwendung hören wir zwar nicht. Ähnlich wie bei Elder entstanden hierfür lange Songs, in welchen sich die Themen in freien Strukturen aneinander reihen. Selten gibt es Wiederholungen. Jede Idee scheint zu einer neuen zu führen. So weit, so von Elder gewohnt. „Hirschbrunnen“ unterscheidet sich aber durch seine Entspanntheit und dass das Gesangsmikro unbenutzt bleibt.

Der gebürtiger Bostoner hat sich vor längerer Zeit in Berlin niedergelassen. Seither hat er den Krautrock entdeckt, was sich bereits auf einigen Alben des Mutterschiffs Elder bemerkbar gemacht hat. Titel wie „Weissensee“ oder „Sonntag“ stachen aus ihrem eigentlichen Kurs quer durch Progressiver Pilzlirock heraus. Auf „Hirschbrunnen“ sind diese Einflüsse klar im Vordergrund. Ein Song heisst gar „Einstürzende Plattenbauten“.

Verzerrte Gitarren und schwere Riffs gibt es nur spärlich. Sonst Sänger und Gitarrist, nimmt DiSalvo hier den Bass als führendes Instrument zur Hand. Darüber und darunter und drumherum legt er seine Grooves, eher perlende als walzende Gitarren und viel Keyboards. Schon der Opener „Ultramarine“ überrascht mit einem lässig gelungenen Verbund von Krautrock der Marke Neu! und mehr als einem Hauch Alan Parsons Project. Der Bass in „The Reflection Pool“ erinnert an Derek Forbes, der vor langer Zeit die Simple Minds massgeblich prägte, als die noch im avantgardistischen New Wave zu verorten waren.

Alles in allem klar eines der bislang spannendsten, intersaantesten und eigenständigsten Alben von 2021.

Instrumentaler, beruhigend schwebender Krautprogrock: 10/10

Marc Flury