Spacerock für Schwindelfreie. Was ELDER hier bieten, geht auf keine Alienhaut. Kein Wunder jubeln Fans und Presse eng umschlungen und tränenreich. „Reflections Of A Floating World“ ist ein musthave Album für Freunde wahnwitziger, hochkomplexer und überwältigender Gitarrenmusik.

Was tun, wenn einem viel zu viele Ideen kommen? ELDER nehmen die Flucht nach vorn und zerdröhnen uns mit ihrer unfassbaren Opulenz. Drei Jungs aus Boston spielen auf „Reflections Of A Floating World“ um ihr Leben. In fünf Epen jeweils um die zehn Minuten-Marke mit Wendungen, Hooks und Sounds in einer verschwenderischen Fülle, mit welcher andere Bands locker eine zehnjährige Karriere füllen.

Ursprünglich sind sie gar nicht mal so als spektakulär auffallende Stonerrock Kapelle gestartet. Schon auf ihrem Vorgängeralbum „Lore“ machten ELDER einen Riesenschritt zu einer erhabenen, ausufernden, subgenresprengenden Rockmusik. Und das in voller treibender Energie und roher Schönheit.

Beim ersten Hören mag man gar überfordert werden, sind doch kaum Songstrukturen zu erkennen.

Da türmen, zerfallen, verschmelzen und mäandern Riffs und Melodien wild nach- und durcheinander. Fuzzige Black Sabbath Gitarren, klassischem 70er Getrommel und ein dröhnend angezerrter Bass wechseln sich ab. Mit perlenden Pianos und immer wunderbar eingesetzten Mellotronteppichen.

Es wird verhältnismässig wenig gesungen, aber wenn, dann wird gesungen. Nick DiSalvo führt uns mit einer kraftvollen, für dieses Genre aber doch untypisch unaufdringlicher Stimme von Part zu Part. Wer also unmittelbar erfassbare Songs hören will, wird bitterlich enttäuscht. Gibt man sich dem Wahn jedoch erwartungslos und rein instinktiv hin, entwickelt dieses Album einen faszinierenden Sog.

Der Opener „Sanctuary“ nimmt zwar fast die ganze Reise vorweg. Viele Überraschungen folgen nämlich nicht mehr. Doch gerade das macht diesen Sog aus. Ist man mal drin, will man gar nichts anderes mehr hören. Sollte jemand das Glück haben, einer Sternengeburt vor Ort beizuwohnen, sollte er oder sie sich noch glücklicher schätzen, „The Falling Veil“ im Raumanzugmusikabspielgerät parat zu haben.

Die weiteren Titel führen das Konzept strikt weiter. ELDER schaffen es, alle halbe Minute eine neue Abzweigung zu nehmen. Und doch klingt es immer irgendwie gleich und doch wird es weder langweilig noch unkontrolliert formlos.

Hier sind offensichtlich Meister ihres Fachs zugange. Dazu kommt die magische Liveatmosphäre. Gewiss, als Trio kommen sie um Overdubs nicht herum. Dennoch schwingen diese Stücke in einem spontan performten Momentum, welche sie vor dem Grauen einer penibel durchkomponierten Sterilität bewahrt. Und dann, aus dem Nichts, erhebt zwischen den 5 Epen das Stück „Sonntag“ sein fremdartiges Haupt.

Gerade wenn man sich besagtem Sog und Wahn endgültig ergeben hat, macht die Platte eine ungehörige Kehrtwende per rabiatem Stilbruch. Unverhofft steht das Raumschiff still in einer Sonnenwindflaute und wir lauschen einem minimalistischem Groove mit repetitiven Gitarrenmustern in bester Krautrock Manier. Und sehen uns mehr als nur ein wenig an Genregrössen wie Neu!, Can oder Cluster erinnert. Das gibt definitiv den letzten Punkt für ein klares Verdikt:

Stonerspacefuzzprogrock: 10/10