St. Gallen überall! Während im ausverkauften Bogen F die Band Knöppel ihren Olma-Halle-7-Punk durch das Viadukt röhrte, taufte Crimer sein Debütalbum im Plaza – ebenfalls mit „Sold Out“-Schild vorne dran.

Läuft also gerade ziemlich für die Sounds of Ostschweiz. Auch wenn die Acts stilistischer kaum unterschiedlicher sein könnten. Klingt Knöppel, als hätte man einem Bierbecher beim FCSG-Match das Gitarrespiel beigebracht, öffnen zur Musik von Crimer die Herren Gordon Gecko und Patrick Bateman wahrscheinlich noch einmal eine ordentliche teure Flasche Dom Perignon.

Insbesondere die Vorab-Single „Brotherlove“ mit seinem unverschämt charmanten Musikvideo weckte den Hunger der Hipsterschaft auf aalglatten 80s-Wave-Pop. Mit einer arschkalten Zimmertemperatur von 6,9° Celsius.

Ähnliches muszierte vor etwa zehn Jahren bereits das amerikanische Duo She Wants Revenge. Doch ausser ein paar im „South Park“-Goth-Kids-Stil wackelende Schwarzträger interessierte das kaum jemanden.

Crimer knipst dagegen zur schwarzen Messe zusätzlich das Neonlicht an und ist damit in den vergangenen Monaten zu einem der omnipräsentesten Hypes des Landes geworden.

Wer in weissen Socken auf dem Titel von 20 Minuten Friday posiert, muss bereits irgendwo auf der Shortlist für eine Patty-Boser-Homestory stehen. Der Coolness hat es aber nicht geschadet. Und tatsächlich zerbricht das Album auch nicht an den hohen Erwartungen.

Mit einem Bariton fürs Schlafzimmer und Melodien für die Tanzfläche füllt Crimer die Hörerschaft so lange mit Synthies ab, bis sie mit ihm durch eine endlose Nacht rennen will. „Cards“? „Hours“? „Fighters“? Wären 1984 Hits gewesen und sind es noch immer.

Irgendwo beissen sich ähnliche Epigonen wie die Editors, Hurts und Interpol womöglich gerade neidisch ins Fäustchen. Und auch wenn mit der Zeit eine gewisse Sättigung an Crimers Stimmkapriolen und Depeche Modeisms eintreten mag: Im Gegensatz zum leavenden Baby im Albumtitel ist dieser Boy hoffentlich here to stay.

7/10

Michael Rechsteiner