Nehmen wir es gleich vorweg: «Masterpiece» ist nicht mehr und nicht weniger als eben das, was der Titel verspricht. Arroganz? Keineswegs. Eher entpuppt sich das Debut des Quartetts Big Thief als ein Triumph der Bescheidenheit.
Zwölf unwiderstehlich zwingende Indierock/Folk-Songs voll von persönlichen, intelligenten Geschichten und unvorhergesehenen, musikalischen Wendungen.
Adrianne Lenker, Kopf des Vierers aus Brooklyn hat mit zwei feinen Americana-Platten schon vor einiger Zeit auf sich aufmerksam gemacht. Diese Wurzeln werden auch im Bandkontext deutlich, obschon das auf Saddle Creek erschienene «Masterpiece» insgesamt deutlich roher und rockiger daherkommt.
Was aber macht diese Platte derart fesselnd? Schliesslich wird hier der Rock nicht neu erfunden. Es sind vielmehr die zahlreichen, kleinen Momente von flüchtig vorüberziehenden Empfindungen und die ehrliche Intimität, die zwischen dissonanten Gitarren, scheppernden Drums und zerbrechlicher Melancholie mitten ins Herz treffen.
Es ist gewissermassen ein amerikanischer Roadtrip zu allen Facetten der menschlichen Befindlichkeit. In dem Sinne fühlt man sich etwas an Springsteens Grosstat «Nebraska» erinnert. Nur verzichten Big Thief auf eine romantisierende Betrachtung der Arbeiterklasse, auf Nostalgie und Tränendrüse. Stattdessen demonstrieren Adrianne Lenker und ihre Jungs eine Zähigkeit und Stärke, die in Zeiten in welchen die Welt aus den Fugen zu geraten scheint, gerade recht kommt.
9/10
Kaspar Hunziker