Unser Freund «Goo» wird 30 Jahre alt. Sonic Youths erstes Album für ein Majorlabel zeigt, dass ein Schritt in den Mainstream noch lange keiner in den künstlerischen Abgrund sein muss – im Gegenteil.
Na gut, ein bisschen Kompromiss musste sein. Ursprünglich wollten Sonic Youth ihren sechsten – bzw. siebten, wenn man das (dear god!) Madonna-Tribute-Werk «The Whitey Album» mitzählt – Longplayer «Blowjob?» nennen. Da hörte für die Teppichetage von Plattenfirma Geffen der Spass kurzzeitig auf. Musikalisch aber liess sich die Band ihre kreative Freiheit sogar vertraglich absichern. Nichtsdestotrotz musste die Nervosität unter Fans im Juni 1990 spürbar gewesen sein: Spätestens seit dem Vorgänger und epochalen Meisterstück «Daydream Nation» galten die New Yorker als Kings (und Queen) of Cool. Würden Sonic Youth Lässigkeit und Lautstärke jetzt etwa zügeln, damit Generation MTV zu ihren Songs auf dem Bett mithüpfen konnte?
Mitnichten. Zwar markierte «Goo» tatsächlich eine einschneidende Entwicklung in der Bandgeschichte, doch führte diese genau in die richtige Richtung. Die schluffige Punk-Attitüde wurde mit einer raffinierteren Produktion nicht heruntergespielt, sondern weiter akzentuiert. Kim Gordons Songwriting und Performances gewannen weiter an Bedeutung und brachten in Songs wie «Tunic (Song for Karen)» oder dem Duett mit Chuck D «Kool Thing» neue, spannende Perspektiven zur Rolle der Frau im Musikgeschäft und in der Gesellschaft im Allgemein. Und musikalische Eskapaden wie «Mildred Pierce» fauchten erfolgreich gegen eine etwaige Zähmung von Thurston Moore & Co. an. Als Sonic Youth anschliessend mit dem Album auf Europatournee gingen, empfahlen sie ihren neuen Plattenfirmen-Daddies übrigens einen ihrer Opening Acts, der gerade an einem kleinen Album namens «Nevermind» werkelte.
Und spätestens als dieses ein Jahr später durch sämtliche Chartsdächer schoss, war klar: Sonic Youth wurden nicht zu Pop – Pop wurde zu Sonic Youth.
Michael Rechsteiner