Fast ausnahmslos überall liegen sich Fans und Kritiker/innen in den Armen. ELDER haben einmal mehr alle überzeugt. Mit ihrem fünften Album Omens etablieren sie sich endgültig als eine der aktuell spannendsten und aufregendsten Bands.

Gestartet 2006 in Boston als Stoner/Doommetal Trio, sind sie mittlerweile zu viert und geistig in Europa angekommen. Gitarrist und Sänger Nick DiSalvo treibt sich gar physisch in Berlin rum und so sind in ihrer Musik vermehrt Krautrock Einflüsse zu hören. Der Drang ihrer ersten Platten (vergleichbar mit Saint Vitus, Sleep oder Electric Wizard), alles mit den fettesten Gitarrenwänden niederzuwalzen, ist gebannt. Er wurde abgelöst von einem bewundernswerten Gespür für Sounds, Komposition und Dynamik. Dies begann schon mit Lore aus 2015, zeigte sich besonders ausgeprägt auf dem improvisierten Instrumentalalbum The Gold & Silver Sessions von letztem Jahr, und erblüht nun vollends auf Omens mit seinen 5 Songs in einer Stunde Spielzeit.

Schon nur der Einstieg: Die Reise wird nicht etwa mit einem protzigen Monsterriff angekündigt. Nein, es schleicht sich ein Duo von Rhodes Piano und (wahrscheinlich) Moog Synthesizer delikat mäandernd an und man horcht schon verwundert hin. Und dann folgt das erste Monsterriff! Elder wären aber nicht Elder, würden sie in sicheren Wassern paddeln. Es geht auf und ab. Verzerrte Wucht wechselt sich ab mit cleanen Parts inklusive Pianosprengseln, fein fliegende Grooves mit überschwenglichem Breitwandgewitter. Die Melvins radeln Tandem mit Pink Floyd.

Als Promotionsingle wurde vorab das Stück Embers präsentiert, wohl weil es das vergleichsweise Geradlinigste ist. Zwar dauert auch dieser Song seine stolze zehn Minuten, wartet jedoch mit einem richtig poppigen Refrain auf, wenn sich bei diesen überlangen Kompositionen so etwas wie ein Refrain überhaupt bestimmen lässt. Doch schon nach der Halbzeit kann es die Band nicht lassen und wechselt die Spur in einen wunderbar trippigen Polygroove. Der wiederum fliesst gegen Ende in Killerthema von einer harmonischen und klanglichen Schönheit, die ihresgleichen sucht. Ja, laute Gitarrenmusik darf auch optimistisch, erhebend und positiv bereichernd sein.

Halcyon geschieht in der Mitte des Albums und ist nicht nur deswegen das zentrale Stück. Was hier präsentiert wird, lässt den Schreiberling auch noch beim zwölften Mal Hören ganz baff unter dem Tisch nach seiner Kinnlade fummeln. Zu Beginn tragen ein Synth Sequenzer und schwingende Drums flirrende Gitarrenarpeggios dahin. Dann folgt wieder eines dieser Killerriffs, welche in einer anständigen Zukunft im Museum ausgestellt und mit der nächsten Voyagersonde als repräsentativ für des Menschen Geiste ins All geschossen werden. Übertrieben? Mit Verlaub, nein. Wie und wohin sich das Stück bei und nach der 5 Minuten Marke transformiert, muss bis Cygnus X-1 gehört werden.

Also fünf Songs um die neun bis zwölf Minuten. Beim Ersthören weiss man da kaum, wo einem der Kopf steht. Bin ich schon im dritten Song? Oder ist das noch der erste? Kam dieser Part nicht schon einmal? Die Überforderung löst sich aber nach mehrmaligem Hören, spätestens wenn man die Songs nicht mehr erkennen will, sondern sich einfach in der Musik badet. Das scheint das Elder Prinzip zu sein: Zwar ist jeder Song penibelst ausgefeilt komponiert, aber es geht um das grosse Ganze.

Was Elder über die standardisierten Doom/Prog/Psychedelik Kollegen stellt, ist ihr Horizont. Passen knurrige Gitarren, frickelige Polyrhythmen à la Mike Oldfields Tubular Bells (bekannt aus Der Exorzist, womit wir ja nicht weit weg sind vom Film Omen), das gute alte Mellotron und warme, an Tangerine Dream oder Rick Wright erinnernde Keyboardklänge wirklich zusammen? Und ob! Wenn man damit so dermassen souverän rumjonglieren kann wie diese Ausnahmeband.

Dazu ist in diesem ganzen Wahn übrigens Nick DiSalvos Gesang willkommen angenehm. Wo Genrekollegen ganz fest ernsthaft intensiv dringlich rumbrüllen, legt er entspannt Wert auf Klarheit und Melodie. Der gesungene Anteil macht zwar den kleineren Teil der Musik aus, textlich wird jedoch ebenfalls mit grossen Pfannen gekocht: Zivilisation, Vision, Aufstieg, Untergang. Diesbezüglich gehen sie den Genregepflogenheiten nicht völlig aus dem Weg, aber das stört nun wirklich gar nicht und ist ja völlig eins mit der grossangelegten Musik.

Progressives Psychedelik Trippen auf Grossleinwand für Leute, die übliches  Doomstonergewurschtel langweilt: 11/10

Marc Flury