Low sind sehr langsam. Kein Wunder also wurde für diese Band einst die Schublade „Slowcore“ geschaffen. Der Dreier aus Minnesota kann mit dem Begriff freilich nichts anfangen. Umschreiben tut er die von minimalistischen Arrangements geprägten Songs oftmals trotzdem ganz gut. Oder auch nicht.

Denn das von BJ Burton produzierte „Double Negative“ lässt sich kaum beschreiben. Man muss es hören. Es ist ein eindringliches, anklagendes und ergreifendes Werk. Alan Sparhawk und Mimi Parker sind – ergänzt um Steve Garrington am Tieftöner – nicht nur Low, sondern auch ein Paar und Eltern zweier gemeinsamer Kinder.

Und sie schaffen vieles, nur eines scheinbar nicht: jemals ein nur annähernd schlechtes Album zu veröffentlichen. Gelegenheit dazu hätten sie in ihrer mittlerweile schon 25-jährigen Bandgeschichte genug gehabt. Stattdessen: eine subtile, kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer Songs, die sich nicht zuletzt durch den charakteristischen, zweistimmigen Hamoniegesang und die geradlinigen Lyrics zu Politik, Weltschmerz, Streitereien und Liebe auszeichnen.

„Double Negative“ ist stärker von elektronischen Fragmenten geprägt als seine Vorgänger und bei Songs wie „Fly“ denkt man unweigerlich an Portishead.

Möchte man weitere Referenzen hinzuziehen, so sind zum Beispiel Tricky, Radiohead oder auch Sigur Rós naheliegend. In musikalischer Hinsicht einerseits, vor allem aber auch deshalb, weil sämtliche genannten ihre visionäre Vorstellung von (Pop-)Musik in Töne gemeisselt haben, ohne sich um Vorstellungen von Fans und irgendwelche Konventionen zu scheren.

Aber eigentlich haben Low im Allgemeinen und „Double Negative“ im Speziellen diese Vergleiche und Schubladisierungen gar nicht nötig. Das Album fordert. Es braucht Zeit. Nur um dich im nächsten Augenblick liebevoll zu umarmen, braucht es ein kräftiger Tritt in den Arsch. Ein schwarz-weisser, visionärer Monolith und – ja doch wieder ein Vergleich – vielleicht so ein bisschen das „Kid A“ unserer Zeit.

10/10

Kaspar Hunziker