Eine für fast alle: Auf wenige Bands können sich Rockerkutten, Indie-Hornbrillen und Popschlampen in dem Masse einigen, wie auf The National. Ist deren siebte Platte also den Blindkauf wert?

Sie stehen wieder vor dem Record-Store, die Trainerjacken und Röhrenjeans, erfüllt von Vorfreude, sich an Hochnebeltagen zu Matt Berningers Bariton in Melancholie zu wälzen. The National-Alben gehören zum Standardrepertoire gut sortierter Sammlungen. Und auch das Neue ist vollgepackt mit Schwermut wie die Zügelkartons der Ex-Freundin, wenn sie die gemeinsame Loge verlässt.

Die Ehe sei Leitthema von „Sleep Well Beast“. Spätesten wenn wir den Titel in diesem Kontext betrachten, ahnen wir: Von den Hochs und Tiefs der Liebe leuchten die Nordostamis die Schattentäler aus, abermals. Regie führen sie dabei eigenhändig, namentlich die Brüder Aaron und Dyce Dessner sowie Frontmann Berninger.

Ungewohnt oft wagen sie elektronische Spielereien, die den Spannungsbogen zeitweise erschlaffen lassen.

Ein Gefühl der Routine schleicht an, und das ruiniert einen Song genauso wie eine Beziehung. „Born To Beg“ oder „Carin At The Liquor Store“ tröpfeln so dahin, der Titeltrack hätte getrost fehlen dürfen. Ohne Qualitätsverlust.

Auf der anderen Seite des Spektrums: Der Trotzbrocken „Walk It Back“. „Day I Die“, mit dem die Platte Fahrt aufnimmt. „Turtleneck“, ein Brecher! Die souveräne Single „The System Only Dreams In Total Darkness“, welche die grösste Stärke von The National ausspielt: Sie geht ins Ohr wie schwerer Rotwein, der sein Bouquet schleppend entfaltet. Darum, wir drücken jetzt erst mal auf Repeat…

Melanchocore, 7/10

Marco Rüegg