Indieelektropop bedeutet für nicht wenige eine Schlaftablettenmarke. Doch das Klischee des gefälligen Gedüdel von so bleichen wie musikalisch uninteressanten Nerds greift bei «Summer 08», dem durchgeknallten sechsten Album von Metronomy, sowas von ins Leere. Hier gibt’s grosse Popkunst!
Ein gewagter, doch extrem gelungener Spagat zwischen Coolness und Hibbeligkeit, Sperrigkeit und Eingängkeit zieht sich durch die ganze Platte. Offensichtlich hat die Band einen exzellenten Geschmack und bedient sich so keck wie erfreulich in der Platinumetage der experimentellen Popmusik, besonders der um 1980. Bald schon sind Spuren von Kraftwerk, Bowie, Tom Tom Club, Gary Numan und Japan auszumachen. Dann aber stibitzen sie ganz unelitär auch mal eine Synthbass Hooklinie aus Billy Oceans Übermainstreamhit «When The Going Gets Tough» aus der dunkelsten Seite des 80er Jahre Ramschpop. Und es klingt trotzdem gross! Das will auch erst mal hingekriegt werden.
Apropos Bass und experimentelle Popmusik: «Mick Slow» mit seinem bundlosen Bass und dem geflöteten Synthesizer scheint ein Tribut an die bereits erwähnte Vorzeigekunstpopband Japan und deren grandiosen Bassisten Mick Karn zu sein. Spätestens jetzt ist endgültig entschieden, diese Band weiss was gut ist und was sie tut. Der «Summer 08» ist ein etwas unterkühlter, doch ist das klar Programm. Souverän wurde hier ein Vibe mit Klangbild konstruiert, welches bei notwendiger (!) Hörhingabe die Zeit fasziniert stehen lässt. Metronomys Vorgängeralben waren noch etwas auf der Suche. Nun scheinen sie angekommen sein, in der Platinumetage der grossen Popmusik. Also Obacht: Genie bei Arbeit!
10/10
Marc Flury