DIE BESTEN PLATTEN 2023 – Teil 3

Im letzten Teil unserer Serie teilt unser School of Rock-Sendungsmacher Marc Flury seine fünf Lieblingsalben des letzten Jahres. Von messerscharfen Riffs bis zu meisterhaftem Songwriting bietet er hier eine weitere rockige Lektion zum Lesen und Hören.

HELMET – Left

Seit 1989 demonstrieren Helmet, wie messerscharfe Riffs perfekt grooven können. Schon vor dem wenig ansprechenden „Nu-Metal“ haben sie ihre eigene Nische gefunden und diese bis heute würdevoll bewahrt. Mit ungeraden Beats und Gitarren, die zwischen Härte und Psychedelik schwanken, zeigen sie zudem eine geschmackvolle Pop-Sensibilität. Beeindruckend ist, wie sie sich in einem musikalisch engen Rahmen weiterhin kreativ variieren können.

Queens of The Stone Age – In Times New Roman

Hier ist wieder eine Band, die einfach nicht älter wird, ähnlich wie Helmet. Ihr Robot Rock ist einzigartig und wird dennoch nicht endlos wiederholt. An erster Stelle steht bei ihnen das meisterhafte Songwriting. Die Songs strotzen vor Ecken, Kanten und skurrilen Überraschungen, dazu gesellen sich tolle Hooks, die stets einen sexy Klang haben. Die beinahe lo-fi Produktion verleiht dem Ganzen eine erfrischende, rustikale Note.

Motorpsycho – Yay!

Als willkommene Abwechslung präsentieren die wilden Rocker aus Norwegen ein erstaunlich ruhiges und besonnenes Album. Die Songs, während der Pandemie entstanden, reflektieren über diese Zeit und das entschleunigte Leben danach. Anders als auf den vorherigen Alben findet man auf „Yay!“ keine zehnminütigen Klangmonster. Stattdessen präsentiert sich die Platte als Sammlung zarter, überwiegend mit akustischen Gitarren vorgetragener Lieder. In einer Hitparade für Musik, die dazu einlädt, entspannt das Chaos des Vorabends zu verarbeiten, thront diese Platte unangefochten an der Spitze.

PJ Harvey – I Inside the Old Year Dying

Polly Jean Harvey hat sich längst vom Alternative Rock und ihrer ikonischen Rolle darin verabschiedet. Schon in ihren Anfangsjahren war sie ein Unikum, das nicht so recht in die stereotype „Riot Grrrl“-Bewegung passte. Seit einiger Zeit hat sie jedoch ihren Platz in der großen Kunst gefunden, wo sie völlig unberechenbar und scheinbar grenzenlos ist. Wer Kate Bush vermisst, wird in Pollys neuem Schaffen sicherlich Freude finden. Dieses Album beeindruckt durch seine zerbrechliche, introspektive Intensität.

Roger Waters – The Dark Side Of The Moon Redux

Wenn sich Roger zum Weltgeschehen äussert, ist das unbestreitbar streitbar – genauso wie viele Fans, die sich über diese Neuauflage des 1973 erschienenen Rock-Klassikers echauffieren. Denn Waters lässt dabei kaum einen Stein auf dem anderen. Die Songs sind gerade noch als Skelette der Originale erkennbar. Darüber hinaus erzählt er in Spoken-Word-Manier seine Philosophien mit der baritonen Stimme eines gealterten Mannes. Ein mutiges Unterfangen, bei dem man sich fragt, wie Jimi Hendrix heute sein erstes Album neu interpretieren würde, oder wie ein 56-Jähriger Cobain alleine mit einer akustischen Gitarre „Nevermind“ ausgraben würde. Der Gedanke ist auf jeden Fall interessant.