Im zweiten Teil unserer besten Platten krönt unser Musikjournalist Kaspar Hunziker folgende Alben:
COURTNEY BARNETT – THINGS TAKE TIME, TAKE TIME
Während das leidige Virus und dessen Folgen weitherum Aggressionen schüren, scheint sich dies bei Courtney Barnett gegenteilig auszuwirken. Gegenüber dem zornigen Vorgänger «Tell Me How You Really Feel» kommt «Things Take Time, Take Time» deutlich entspannter daher. Bisweilen schludrig wirkende Gitarrenakkorde treffen auf ein dahinschlurfendes Schlagzeug und Lyrics über verknotete Hundeleinen und andere, scheinbar unwichtige Beobachtungen, die im Lockdown plötzlich bedeutsam werden. Die latente Aggression ist verschwunden. Geblieben sind verträumte, melancholische Songs für seltsame Zeiten.
MOGWAI – AS THE LOVE CONTINUES
Seit mehr als 25 Jahren gehören die Schotten zur Speerspitze des Post-Rocks. Es mag in der Zeit experimentierfreudigere Genre-Vertreter gegeben haben. Die Dynamik von leisen, sich langsam aufbauenden Spannungsbögen, welche von unmittelbaren Gitarrengewittern niedergerissen werden beherrschen Mogwai jedoch wie kaum jemand sonst. Und: wer so lange im Geschäft ist, greift in der Regel auch mal ins Klo. Nicht so der Vierer aus Glasgow. Der Albumtitel ist Programm: «As The Love Continues» ist wie eine neu aufflammende, alte Liebe. Aufregend und dennoch sehr vertraut.
VELVET TWO STRIPES – SUGAR ICED TEA
Drei junge St. Gallerinnen mit Whiskey und Rock ‘n’ Roll im Blut – das sind Velvet Two Stripes. Mit ihrem wütenden, wilden Mix aus Garage Rock, Riot Grrrl Punk und einer gehörigen Portion Blues sind die Mädels über Jahre durch kleine Locations getingelt und haben sich dabei den Ruf einer exzellenten Liveband erarbeitet. Ihr drittes Album entstand in Eigenregie und wurde während des Lockdowns aufgenommen. Ob man den Albumtitel beziehungsweise dessen Akronym nun originell findet oder nicht: die Platte ist definitiv hot SHIT.
BILLY BRAGG – THE MILLION THINGS THAT NEVER HAPPENED
Punk, Singer-Songwriter oder linker Politaktivist. Billy Bragg war in seiner langen Karriere schon vieles. Eines jedoch nicht: Popstar. Und dies, obschon er als einer der profiliertesten britischen Liedermacher der letzten Jahrzehnte angesehen werden muss. «The Million Things That Never Happened» dokumentiert die Geschehnisse der letzten Jahre aus der Sicht eines nicht mehr ganz jungen Mannes. Das Resultat ist ein empathischer Rückblick auf Pandemie oder Politik, die aus dem Ruder läuft und gleichzeitigein Loblied an die menschliche Widerstandskraft. Musikalisch? Melancholischer Americana und Folk-Rock. Und zwar der derzeit vielleicht beste ausserhalb der USA. Mindestens.