Young Gods, die Vorzeigeband der Schweiz beglückt uns endlich wieder. Data Mirage Tangram ist ein grandioses Album mit alten Qualitäten in frischen Farben.

Geschätzt von Künstlern wie Trent Reznor, David Bowie, Soundgarden, Tool oder Mike Patton. Letzterer nahm Young Gods sogar für die USA unter Vertrag. Trotzdem scheinen die Young Gods hierzulande nach 30 Jahren Bandgeschichte immer noch unter Wert wahrgenommen zu werden. Nun wird sich dies auch mit dem neusten Album kaum ändern, was eher im hiesigen Musikverständnis als an der Qualität dieser Band liegt. Hallo Swiss Music Awards.

Wenn vollmundige PR Agenturen ihren glattgebügelten Neuentdeckungen immer wieder mal das Etikett „internationales Format“ aufdrücken wollen, kann man angesichts des erstklassigen Outputs und dem internationalen Renommé der Young Gods nur staunen. Diese Pioniere der elektronischen Rockmusik verzücken die anspruchsvollere Hörerschaft weltweit seit Mitte der 80er Jahre.

Einer der Mitbegründer, Cesare Pizzi, ist nun wieder in den Bandschoss zurückgekehrt. Staunen wird nun vielleicht, wer deswegen eine Rückkehr zum sperrigen Industrial der ersten beiden Alben erwartet hätte. Doch diese Phase haben sie in bester Pioniermanier längst hinter sich gelassen und wird hier auch nicht mehr aufgegriffen.

Mit ihrem unverkennbaren, eigenen Sound loteten sie in ihrer Bandgeschichte schliesslich unterschiedlichste Stimmungen aus.

„TV Sky“ war fast klassischer Rock, „Only Heaven“ schwirrte in einem Rausch von Ambient und Progrock. „Second Nature“ bot halluzinogenen Techno, „Super Ready/Fragmenté“ brachte die Gitarren wieder zurück und „Everybody Knows“ vereinte alles davon mit einer von ihnen bis dato selten gehörten Leichtigkeit.

Wenn es bei den Young Gods eine Konstante gibt, dann das in ihrem Oeuvre seit längerem beobachtbare Jim Morrison-sampelt-Pink Floyd Element. Es bannt bei den Young Gods die Gefahr der elektronischen Kälte mit analoger, warmer Menschlichkeit und ist auch auf „Data Mirage Tantram“ zugegen. Die ersten drei Songs werden von unwiderstehlich pulsierenden Grooves getrieben und zeigt die Band von ihrer zugänglichsten Seite.

Doch das folgende „Moon Above“ schert in seiner umherirrenden Gebrochenheit aus und erinnert dabei an moderne Pioniere wie Superterz. Das überlange „All My Skin Standing“ darf dann als Höhepunkt des Albums angesehen werden. Da steht tatsächlich mehr als die Nackenhaare.

Erst schleichen sich schamanisches Getrommel und ein flüsternder Franz Treichler unter die Haut. Doch sobald sich der/die HörerIn angenehm berauscht fühlt, brechen breite und heulende Gitarrenwände darnieder und reissen einen mit in einen höheren Zustand. Das ist konzeptionelle Grösse, welche die Frage nach Neuem und Innovation, wofür die Band eigentlich steht, irrelevant macht.

Weder Intellekt noch die Erwartung auf Unterhaltung werden bedient, hier geht es um Empfindung und Tiefe und Geduld. Laut Treichler steht „Data“ für die Macht der Big Data, „Mirage“ für Täuschung. „Tangram“ bezeichnet ein chinesisches Geduldsspiel, in welchem sieben Teile zu beliebigen aber aussagekräftigen Formen kombiniert werden sollen. So setzt sich „Data Mirage Tantram“ aus sieben Songs zusammen und ist Musik, die per Intuition zu verstehen ist.

Entrückt ritualistischer Ambientrocktechno 10/10

LIVE: 14.12.19 Rote Fabrik Zürich

Marc Flury