Neonfarben? Glowsticks? Plastikschnuller um den Hals? IT’S A NEW RAVE! Mit dem Auftritt von den Klaxons auf dem internationalen Parke-, äh, Dancefloor begann die Popwelt plötzlich knallbunt zu Leuchten wie ein Flipperkasten kurz vor dem Highscore.
„Myths of the Near Future“ hiess das Debütalbum der Engländer. Bezog dabei seine Inspiration aber insbesondere von den Helden der ausklingenden 80s: Happy Mondays, New Order, 808 State. Bands, die einst eine triste Arbeiterstadt zum Wackeln brachten und als Madchester in die Geschichte eintrugen.
Und so positionierten sich die Klaxons als Speerspitze einer Spassarmee, die von der Hype-Postille NME schnell „New Rave“ auf die Fahne geschrieben bekam. Bands wie Trash Fashion, Shitdisco, Does It Offend You Yeah? oder Late of the Pier marschierten musikalisch in eine ähnliche Richtung. Und selbst weitaus weniger hysterisch beatbollernde Acts wie LCD Soundsystem und Hot Chip bekamen das Etikett draufgepappt. Klingt doch irgendwie electro, wird schon stimmen. Tat es aber nicht. Spätestens dann, als die New Rave Begeisterung so seltsame Blüten empor trieb wie Enter Shikari, welche Post-Hardcore mit Trance vermischten. Urgh.
Hört man heute den schillernden Erstschlag der Klaxons, haben nur eine handvoll Songs die Party überstanden, an der einst Indie Rock mit Electro House knutschte. „Golden Skans“ ist noch immer ein hochmelodiöser Ohrwurm mit unwiderstehlichem Chorgesang. Gleiches gilt in abgeschwächter Form auch für den Opener „Two Receivers“ und „It’s Not Over Yet“. Der Rest? Selbstverständlich nicht ohne Charme. Doch hört man ihn so, wie man mit brummendem Schädel an eine ausser Kontrolle geratene Fete vom Vorabend denkt: „Wow. War das ein Spass. Aber bitte so schnell nicht mehr.“
„Myths of the Near Future“ gewann 2007 den renommierten Mercury Prize. Dabei stach sie unter anderem „Favourite Worst Nightmare“ von den Arctic Monkeys und „Back to Black“ von Amy Winehouse aus. Eine ausgiebige Afterhour war dem New Rave aber nicht vergönnt. Zwar reichten die Klaxons noch zwei weitere Alben nach („Surfing the Void“, 2010 und „Love Frequency“, 2014), konnten damit aber nicht annähernd an den Erfolg und Pressehype des Erstlings anschliessen.
Auch den anderen Vertretern der Bewegung erging es nicht besser. Bestenfalls verpufften sie so schnell, wie sie aufgetaucht waren. Oder aber sie versuchten, die ursprüngliche Euphorie auf weiteren Alben neu zu entfachen, verblassten dabei aber wie ein Neontop nach dem drölften Waschgang.
Immerhin: Klaxons-Mastermind James Righton musiziert seit 2016 weiter unter dem neuen Pseudonym Shock Machine und ist bis heute ab und an in der Presse zu sehen. Dann aber weniger als Pop-Darling der Stunde, sondern als Ehemann von Hollywoodstar Keira Knightley, mit der er seit 2014 eine gemeinsame Tochter hat.
Michael Rechsteiner