So blieben die zwei, die schon immer waren. Placebos Bandgeschichte ist von vielen Besetzungswechseln geprägt. Die einzigen steten Mitglieder Brian Molko und Stefan Olsdal melden sich nach fast 10 Jahren als Duo zurück.

Ein bisschen Hilfe, vor allem an den Drums, nahmen sie sich doch. Aber „Never Let Me Go“ ist klar ein Unternehmen zu zweit. Ist bei den beiden Multinstrumentalisten auch naheliegend. Weniger naheliegend ist die Wahl des Kurses. Sind wir nun frei, uns ohne weitere Einmischung stilistisch wohin auch immer auszutoben? Oder sollen wir uns als der ewige Kern der Band erst recht auf unsere Stärken und Eigenarten besinnen?

Sie entschieden sich für Letzteres. Doch gleich ein „aber“! Der erste Song nämlich fällt einem da gleich ins Wort. „Forever Chemicals“ erinnert an die grosse und leider immer noch übersehene Band Failure. Der glockenähnliche melodie- und riffführende Synthesizer, die Weite der Gitarren und die Industrial Drums starten das Album auf hohem Niveau. Auch die folgenden drei vier Songs strahlen grosse Klasse aus. Und in „Hugz“ wird es sogar richtig wild.

Doch irgendwann stellt sich, ausser bei beinharten Fans natürlich, ein gewisse Hörerschöpfung ein. Es wird gemütlicher, gefälliger gar, und das Startfurioso verabschiedet sich. Einzeln gehört, fallen die meistens Songs gar nicht ab, aber als Binge (oder wir wir früher sagten: ein ganzes Album durch-) hören, da gehen einem gerade die konsequenten Breitwandgitarren ein bisschen auf den Keks.

Gegen Ende ist dank mehr Bedacht auf Atmosphäre statt Pathos wieder ein Aufwärtstrend auszumachen. Die Songs werden wieder dynamischer und kaleidoskopischer. Nicht so stürmisch wie zu Beginn, aber auch nicht so zu Hits geschustert wie die in der Mitte des Albums. So bleibt dann doch der Eindruck einer sehr guten. Vielleicht ist sie nur ein bisschen zu lang geraten. Aber in 10 Jahren inklusive pandemiebedingter Zwangspause hat sich wohl all dieses Material angehäuft, welches jetzt einfach und endlich raus musste.

Alternative Dreampoprock 8/10

Marc Flury

LIVE: 29.10.22 The Hall präsentiert von Piratenradio.ch