Was hat Mike Patton noch nicht gemacht? Nach um die 75 Alben in dreissig Jahren, wo kann er da noch hin? Nach Frankreich jetten und die Frankopop Arrangement Ikone Jean-Claude Vannier einspannen, natürlich!
Mit Musikern von Beck und Nine Inch Nails im Schlepptau bieten die beiden zwölf Songs, die einen im Vergleich zu Pattons anderen Soloeskapaden angenehm entspannt umschmeicheln. Kleinere Lärmausbrüche sind immer wieder vorhanden, aber die Pfeiler der Songs sind meistens Popstrukturen mit einem leichten, bei Patton ja des öfteren gehörten, funky Bossanova Einschlag.
„Camion“ möchte so gerne losrocken, doch die Musiker halten die Zügel straff, während sie frivol mit den Songparts jonglieren. Bei „Browning“ und „Insolubles“ fällt Vanniers Handschrift besonders auf. Ersteres erinnert stark an Serge Gainsbourg und zweiteres ist im Charakter ein klassisches Chanson wie wir es Charles Aznavour kennen, verziert mit Harmonien aus der Zigeunermusik. „Hungry Ghost“ schwankt zwischen Zirkusmusik, Kitsch Arie und einem Soundtrack zu einem Tim Burton Film. So geht es denn weiter: Alle Songs passen zueinander in einem durchdachten Gesamtwerk, jeder Song aber sprüht von eigenen Ideen.
Wer sich von Pattons überkandidelter Vokalakrobatik jenseits seiner Hauptbands abgeschreckt fühlt, sei beruhigt. Die Narrenfreiheit des Solokünstlers nutzt er auf diesem Album anderweitig. Seine Stimme setzt er galant songdienlich ein und arbeitet dabei mit dem Vertrauen in deren natürlichem Timbre. Mike wirkt hier wie ein chicer, routinierter Lounge Sänger, der auch die dunklen Gassen kennt. Oder ist es einfach sein nicht zu bändiger Schalk, der die an sich freundlichen Songs stets um eine unerwartete Ecke führt? „Corpse Flower“ ist ein charmantes, oberflächlich vielleicht unspektakuläres Album. Beim aufmerksamen Hören zeigen sich aber Witz, Reife und Meisterhaftigkeit aller Beteiligten jenseits von aufgesetzten Verrücktheiten.
Frankopop mit Kaliforniawahn 10/10
Marc Flury