Melvins sind die Grenzverwischer in Sachen Rockmusik und Guerillakunst. Auf ihrem fünfundzwanzigsten und zugleich erstem Doppelalbum haben sie sich was ganz Cleveres einfallen lassen: Sie vereinen Rock und Kunst gerade durch deren Trennung.
Doom, Metal, Sludge, Alternative Rock, Mathrock: Melvins haben vieles erfunden oder zumindest erfrischend pervertiert. Dank musikalischer Intelligenz, Witz und bewusster Ignoranz gegenüber Genrestandards. Die konzeptionelle Aufteilung des neuen Albums erleichtert den „Death“ Part von Lärmgewitter und Klangsaucen, mit welchen sie uns oft und gerne erfreuten. Oder quälten. Je nachdem.
Die „Death“ Hälfte kommt vordergründig recht konventionell daher. Doch reden wir hier immer noch von einer der innovativsten und eigenständigsten Bands auf Erden.
Dieser Teil des Albums präsentiert die bekannt versponnenen und unheimlichen Melvins. Auch wenn hie und da gehörig gerockt wird, scheint ihre Magie aus einer inneren Ruhe zu kommen: Zurückhaltung, Dosierung, Ausbruch in typischer Melvins Manier zwischen Zugänglichkeit und Verstörung.
In Sachen Songwriting muss man den Melvins eh längst nichts mehr verzapfen wollen. Mit „Sober-Delic“, „Euthanasia“ oder „Flaming Creature“ zeigen sie, wie alte Hasen mit bekannten Mustern umgehen können.
Klar, auch die Melvins kochen mit dem Wasser fieser Riffs und böser Stimmen, aber nicht zur stilistischen Selbstdefinition, sondern als Werkzeuge für eine höhere Klangerfahrung. Hintergründiger Schalk und offensichtliche Klasse bauen eine durchgehende Spannung auf, welche die konstante Neugier auf den nächsten Song am Leben erhalten. Dem traditionsbewussten Metalliebhaber ist das wohl zu unruhig, zu verkopft, etwas offenere Musikfreunde dürfen sich hier wohlig suhlen.
Die „Love“ Hälfte, nun das ist ein ganz anderem Kaliber. Als Soundtrack zum Kurzfilm „A Walk With Love & Death“ eines gewissen Jesse Nieminen ist sie ein Sammelsurium von Klangcollagen und Audioschnipseln aus eben dem Film. Wie schon die Alben „Prick“ oder „Colossus Of Destiny“ ist das Ganze eher strapazierend und nicht zum Vergnügen gedacht. Kunst, die sich der gängigen Kritik entzieht, aber bestens geeignet ist, um ungebetene Gäste zu unterhalten.
Sludgedoompsychedelik: 10/10
LIVE: 27.10.2017 in Zürich, Rote Fabrik
Marc Flury