Schnappi kann einpacken, Korokodil is back! Zum Record Store Day legt das Progrock-Reptil seineKult-LP von 1971 neu – und haut ein frisch eingespieltes Album obendrauf. Eine Reunion? Nun, so etwas wie…
Kroko wer?! Stimmt schon, was sucht in der Ära der reduzierten Aufmerksamkeitsspannediese Band, die 47 Jahre keinen neuen Ton veröffentlichte und schon damals ein Gärtchen jenseits der kollektiven Aufmerksamkeit beackerte? Krautrock, so das Stichwort zum Sound, mit dem die in Zürich domestizierten Krokodil einst ein klein wenig berühmt wurden. Für Originalpressungenihres Opus Magnum „An Invisible World Revealed“ schlagen sich heute Sammler bis in die USA dieNerd-Brillen ein. Genau dieses, ihre dritte Platte, bringen Krokodil neuheraus – ergänzt mit ungehörtem Stoff.
Am Ursprung der krokodil’schen Wiedergeburt steht, respektive sitztDüdeDürst, das umtriebige Energiebündel, das jeweils weit oben rangiert in Ranglisten der hiesigen Top-Schlagzeuger. Entsprechend pflegt er Kontakte zur Szene, als Kontrast zu den graumellierten Ur-KrokosDürst, Walty Anselmo und Terry Stevens steigen Adi Weyermann und Tastenmann Erich Strebel ins Boot – oder eben in den Teich. Organisatorisch hält Dürst die polyvalente Gruppe zusammen (wir hören neben dem kommunen Instrumentarium Sitar, Mellotron, Bongotrommeln, Piano…), musikalisch leben Krokodil von der Dynamik zwischen den Mitgliedern, heute genau wie damals, als Hadry Hepp und der 2006 verstorbene Bluesharp-Berserker MojoWeideli mitmischten.
Das führt zu einem direkten, verspielten Grundton, zu druckvollem Gitarrenblues mit dem Flair fürs Abdriften in psychedelische Improvisationen. „YouShootMe…“ erinnert an die früheren Deep-Purple-Dampfwalzen mit ihren heulenden Hammond-Orgeln.„Invisivle“ aus der Feder Weyermanns kommt genauso ohne Gesang (dafür mit spanisch anmutenden Licks) aus wie das von einer mäandernden Space-Gitarre getragene Schlussinstrumental „Skyline“.
Nüchtern rattert die Rhythmusfraktion den Takt durch das gesamte Album, während die Leadstimmen munter darüberschwurbeln dürfen. Natürlich, purzelbäumelndeMellotron-Soli fallen im Jahr 2020 hoffnungslosaus dem Rahmen. Allerdings, wenn rundherum die meistenKünstler am Reissbrett aufgezogen, ihre HitsnachAlgorhythmenkonzipiert und nach 15 Sekunden auf dem Höhepunkt sind, dann wirken diese uferlosen, von Spielfreude getriebenen Orgien angenehm anders. Fast schon: neu.
9/10
Marco Rüegg