Die schwedischen Country-Schwestern sind mit ihrem vierten Album «Ruins» zurück. Dieses entführt die einst goldene «Stay Gold»-Stimmung vom Vorgänger in  kämpferischere, kraftvolle Sphären.

First Aid Kit sind in Schweden so etwas wie Everybody’s Darling. Am Polar Music Prize räumten die beiden bereits die Trophäe, diese schwedische Version der Grammys ab, und rührten bei einer Gastperformance sogar Countrylegende Emmylou zu Tränen. Kein Wunder: Die noch nicht einmal 30-jährigen Schwestern bezaubern mit ihrem glockenhellen Harmoniengesang, den sie in ein Gemisch aus Country, Americana und Indie-Folk betten, sind aber auch sackstarke Instrumentalistinnen. Und spätestens seit dem dritten Album «Stay Gold» auch in hiesigen Gefilden ein Begriff, Stichwort «The Silver Lining».

Ganz der amerikanischen Musiktradition verpflichtet, wurde das neue Werk «Ruins» im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eingespielt. Doch aus den anfänglichen country-geprägten Einflüssen entwickelt sich im Verlauf eine Folk-Rock-Platte mit Überraschungen. Trotz der Tatsache, dass die eine Schwester ihre langjährige Beziehung zu ihrem Freund beendet hat, geben sich die beiden überhaupt nicht traurig oder allzu wehmütig. Nein, «Ruins» ist eine leidenschaftliche, rebellische Platte geworden. Sie jagt keinen Träumen hinterher, sondern gibt sich kämpferisch – gleich zu Beginn mit «Rebel Heart» –, ja beweist mit dem Wutschrei auf «Hem of Her Dress» und der anschliessenden Mariachi-Gruppenkuschelstunde überraschende Tendenzen: «Here we go!».

Es ist wohl nicht das Ziel der Söderberg-Schwestern, das Rad komplett neu zu erfinden. Dafür haben sie mit Tucker Martine einen versierten, weltoffenen Nashviller als Produzenten ins Boot geholt, der dieses sanft justiert. Und auch die komplette Ami-Band um Melvin Duffy, Scott Simpson und Steve Moore lässt auf kleine, aber konstante Neuheiten schliessen. So  beweist «Ruins» einen weiteren Schritt nach vorne, der es gar nicht nötig hat, riesige Sprünge zu wagen. Denn in ihrem Metier gehören First Aid Kit aktuell ohnehin zur Spitze.

8/10

Stoph Ruckli