Innovatoren & Aussenseiter, Trendsetter & Eigenbrötler, Rocker & Elektroniker, vergöttert & strikt abgelehnt: Radiohead sind im «Young Person’s Guide to Modern Pop Music» als Synonym für «Fisch und Vogel aber doch beides nicht» zu entnehmen.

Die hohen Wellen schlagen sie auch nicht mit Drogenskandalen und Flugzeugrandale. Nein, sie ziehen einfach den Stecker aus all ihren Onlinepräsenzen. Und das reicht schon für konfuse Aufmerksamkeit von Allenthalben her. Vielleicht ist dieser so-leisest-wie-mögliche Promostunt das Klügste, was eine so hochprofilierte Band für ihr neues Album machen kann. So kann es sich ganz ohne Vorabhype scheu aber bestimmt an der Türe vorstellen. Scheu aber bestimmt klingt es denn auch. Grosse Exzesse sind kaum auszumachen, auch ähneln sich alle Songs doch sehr.

«A Moon Shaped Pool» verlangt zweidreimaliges Hören, bis sich seine architektonische Qualität erschliesst. Diese perfekt aufeinander abgestimmten Schichtungen wollen nämlich erhört werden. «Keine Exzesse» bedeutet also nicht etwa Langeweile, sondern wohlüberlegte Komposition. Was erst nur als ganz angenehmes Hören unterhält, nimmt einen mehr und mehr gefangen. Das Album will nicht von sich aus gefallen. Es ist nur da. Wartet. Vor der Tür. Scheu, aber bestimmt. Herausgehoben werden sollen «Full Stop» mit seiner unterschwelligen, treibenden Manie und das trotz seiner reichen Instrumentierung unterkühlte «The Numbers» mit seinem Flair eines frühen Pink Floyd Filmsoundtracks.

Radiohead wurden schon zigmal über alle Massen gelobt, beschwört, behypet. Und gerade als man sie schier vergessen hatte, bringen sie husch im Vorbeigehen ein ganz grosses Album vorbei.

9/10

Marc Flury