Wie kann ein Jahr musikalisch besser starten als mit einem neuen David Bowie Album? Zu seinem 75. Geburtstag erscheint das 20 Jahre verschollene Album TOY.
Bereits im November als Teil der „Brilliant Adventure“ Box erschienen, ist die Platte nun auch einzeln zu haben. „Neu“ müssen wir aber gleich relativieren. „Toy“ ist grösstenteils eine Kollektion von Songs geschrieben in seinen erfolglosen Anfängen in den 1960ern, komplettiert mit einigen Neukompositionen aus dem Jahr 2000. Die Originale wurden grösstenteils zwar schon veröffentlicht, aber als gefloppte Singles kaum je gehört. Die neuen Stücke erschienen in überarbeiteter Form auf dem 2002er Album „Heathen“ („Afraid“ und “Uncle Floyd”, letzteres umbenannt in „Slip Away“).
Bowie war in den 60ern frustriert über seinen mangelnden Erfolg und schrieb diese Songs ganz bewusst als Pop „rubbish“, um endlich Hits zu landen. Doch floppten wie gesagt auch diese oder wurden von den Plattenfirmen von vornherein abgelehnt. Doch dann kam Besuch von Major Tom und Ziggy Stardust und der Rest der Geschichte ist bekannt.
Nach seiner künstlerischen Renaissance in den 90ern entschloss er sich 2000, mit seiner damaligen Band diese Songs auszugraben und neu aufzunehmen. Doch wieder stand ihm die Plattenfirma im Weg. EMI brauchte Geld und forderte ein rundum neues und daher mehr Erfolg versprechendes Album als eine Kollektion schon einmal gescheiterter alter Kamellen, trotz Popstar Status und Neueinspielung. Während den Verhandlungen arbeitete Bowie bereits weiter, was schliesslich zur Veröffentlichung von „Heathen“ führte und „Toy“ ging vergessen.
Soviel zur Vorgeschichte. Wäre diese nicht bekannt, könnte man „Toy“ für ein ganz reguläres, zeitgemässes Album halten. Ob dies an der zeitlosen Qualität der Songs oder der modernen Interpretierung samt Produktion liegt, sei dahingestellt. „Karma Man“ versprüht mit seinen lustigen Chören und dem Spinett noch ein wenig verspielt naives 60er Flair. Der Rest fügt sich nahtlos in die Bowie Alben der frühen 00er Jahre ein. Nicht annährend so spektakulär wie die späteren „The Next Day“ oder „Blackstar“, kommt es sogar noch eingängiger als die eh schon fein polierten „Heathen“ und „Reality“ daher.
Für EMI wären hier also einige potentielle Hits zu finden gewesen. „I Dig Everything“ und „You’ve Got a Habit of Leaving“ zum Beispiel. Ganz gewiss das wirklich grossartige „Let Me Sleep Beside You“, welches zu seinen allerbesten Songs gezählt werden muss.
Die „Toy Box“ besteht übrigens aus einer Dreifachalbum Ausgabe. Teil zwei bietet alternative Takes, die sich jedoch nur leicht von den eigentlichen unterscheiden. Der Mix ist ein wenig gröber und die Gitarrensounds ein wenig rauher. Fast wie (oder wurden sie sogar?) live eingespielt. In Teil drei erklingen die Songs im akustischen Kleid nahe an den Originalen aus den 1960ern. Bowies warm gealterte Stimme verpasst diesen Versionen jedoch einen wunderbaren Charme.
Bowieathisbest 10/10
Marc Flury